Löhleins Tierleben

Fischotter

Lutra lutra

Illustration:
Hans Schumacher

Verbreitung:

Eurasien, Japan, Nordafrika
Systematik: Landraubtiere, Marder
Lebensraum: Uferstreifen von Flüssen, Bächen und Seen
Nahrung: Fische, Krebse, Muscheln, Bisamratten, Frösche, Wassergeflügel, Würmer, Insekten
Besonderheiten: Schwimmhäute zwischen Fingern und Zehen
Trächtigkeitsdauer: ca. 62 Tage
Jungtiere: 2 bis 5
Höchstalter: 22 Jahre
Körpergewicht: bis 12 kg
Kopf-Rumpf-Länge: bis 90 cm
Schwanzlänge: 30 bis 50 cm
Lebensweise: überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv, ungestört auch tagaktiv, amphibische Lebensweise
Feinde: keine
Gefährdung: Bejagung, Gewässerbegradigung, Gewässerverschmutzung
Bestand: gefährdet bis bedroht

Drei Fischotter leben in Hellabrunn. Im Gehege gegenüber der Gepardenanlage leben der sechsjährige Adam und die fünfjährige Eva.
Und in einem Gehege hinter den Kulissen in der Hellabrunner Quarantänestation ist ihr im letzten Oktober geborener Sohn untergebracht. Er wurde kürzlich von seinen Eltern getrennt, weil er jetzt alt genug ist, um selbstständig zu leben. Er soll demnächst an einen anderen Zoo abgegeben werden.

Obwohl ein Otterpaar im Gehege untergebracht ist, sieht man häufig keinen der beiden, wenn man am Gehege vorbeikommt. Denn ein Teil ihrer Aktivität findet in der Dämmerung und in der Nacht statt. Tagsüber haben die Fischotter längere Ruhepausen. Aber auch Aktivitätsphasen. So kann man die beiden Otter mit großer Sicherheit gegen 13:00 Uhr sehen, wenn die tägliche Fütterung stattfindet. Auch am Nachmittag sind die Chancen gut, die verspielten Wassermarder beobachten zu können.

Gefüttert werden Fische, Küken, Hasen- und Rindfleisch. Mäuse werden verschmäht. Trotz des Namens “Fischotter” besteht auch in der Natur die Nahrung aus weit mehr als nur aus Fisch. Je nach Biotop und jahreszeitlichem Nahrungsangebot werden auch Krebse, Lurche, Kleinsäuger, Vögel, Schnecken und Würmer gefressen. Also einfach so ziemlich alles, was er in, am und auf dem Wasser an lebender Beute aufstöbert. Kleine Beutetiere werden sofort verspeist, größere an einen sicheren Uferplatz getragen und dort verspeist. Wie jeden Mittag in Hellabrunn gut zu beobachten ist, hält er die Beute zwischen den Vorderpfoten und verzehrt sie unter laut hörbarem Schmatzen.

Das Vorurteil, der Fischotter würde Gewässer leerfischen und die besten Zuchtfische bevorzugen, kann inzwischen eindeutig widerlegt werden. Vielmehr bevorzugt er Fische zwischen 10 und 20 cm Länge, weil er die am leichtesten erbeuten kann. Und auch bei diesen Fischen gilt, was für viele Raubtiere gilt: Nicht der Jagderfolg ist die Regel, sondern der Mißerfolg. Anders kann es sich ausnahmsweise in dicht besetzten Fischzuchtbecken verhalten. Der Schlüsselreiz , der durch das permanente Fluchtverhalten der zusammengepferchten Fische entsteht, kann so groß sein, daß der Otter mehr Fische jagt, als er zum satt werden benötigt, ja er kann sogar ganze Becken bis zur Erschöpfung leerfischen, weil er einer Instinkhandlung folgt und die Fische keine Chance zur Flucht haben. Solche Beobachtungen sind jedoch Einzelfälle, die auf die Verhältnisse in der Natur nicht übertragbar sind.

Hinzu kommt, daß der Fischotter sich nicht lange an ein und demselben Ort aufhält. Alleine in einer Nacht kann er bis zu 20 und mehr km zurücklegen. Sein Revier umfaßt zwar für gewöhnlich nur einen etwa 100 m breiten Uferstreifen, dieser ist aber je nach Biotop und Nahrungsangebot zwischen 2 und 50 km lang. Während man früher davon ausging, daß der Fischotter einen festen Bau besitzt, weiß man inzwischen, daß er jeden sich bietenden Unterschlupf nutzt, was aufgrund seiner unsteten Lebensweise auch Sinn macht. Lediglich diejenigen Baue, die der Jungenaufzucht dienen, sind aufwendiger gebaut und werden nach den Gesichtspunkten Störungsfreiheit und Überschwemmungssicherheit ausgewählt. Durchschnittlich hat ein Otter alle 1000 m ein Versteck, die er sehr unregelmäßig bewohnt und wechselt. Auch die Hellabrunner Otter wechseln ihre Verstecke. Mal sind sie in einem hohlen Baumstamm zu finden, mal in den Boxen an der Rückwand des Geheges und mal in den selbstgegrabenen Bauen am Ufer, deren Eingänge zum Teil unter Wasser liegen.


  Heute ist der Fischotter in Europa sehr selten geworden. Die Ursachen dafür sind vielfältig.
Gerade im 19. Jahrhundert wurde systematisch Jagd auf Otter gemacht, einerseits weil man ihn für einen Fischräuber hielt und andererseits um an seinen begehrten Pelz zu gelangen, der als besonders dicht (50.000 Haare pro Quadratzentimeter!) und haltbar galt. Heute ist die Jagd zwar verboten, aber auch andere Zivilisationsfaktoren machen dem Otter zu schaffen: So sterben zahlreiche Otter im Straßenverkehr oder bleiben in Krebs- oder Fischreusen hängen, wo sie qualvoll ersticken. Auch die zunehmende Gewässerverschmutzung macht dem Otter zu schaffen. Polychlorierte Biphenyle und andere Umweltgifte, wie sie u. a. in Kunststoffen vorkommen, reichern sich über die Nahrungskette an und schwächen gerade diejenigen Tiere, die am Ende der Nahrungskette stehen. Besonders schlimm wirkt sich auch die Begradigung und Versiegelung von Gewässern aus. In geraden, eingefaßten Kanälen ohne Gehölzsäume kann der Otter keine Beute finden, geschweige denn erfolgreich jagen. Hinzu kommen Störungen durch erholungssuchende Menschen. Die wichtigste Aufgabe beim Otterschutz ist demnach der Erhalt natürlicher Landschaften, die nicht nur dem Fischotter, sondern einer Vielzahl von einheimischen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum bieten.

Zoologisches:
Der Eurasiatische Fischotter ist eine von 13 Fischotterarten und diejenige Art mit dem größten Verbreitungsgebiet: Er kommt in Europa (außer Island), in Algerien, Marokko, Tunesien und in weiten Teilen Asiens bis nach Sumatra, Java und Japan vor. Sein Verbreitungsgebiet ist an das Vorhandensein von Gewässern gebunden, er fehlt in Wüsten, Steppen und Hochgebirgsregionen.

Wichtigstes Sinnesorgan sind die Augen. Sowohl unter als auch über Wasser kann der Otter Farben erkennen, insbesondere in den Bereichen blau und grün. Im trüben Wasser kann er Beutetiere mit Hilfe seiner bis zu 6 cm langen Vibrissen (Schnurrbarthaare), die als Ferntastorgane dienen, aufspüren. Nase und Gehörgänge werden beim Tauchen verschlossen.

Ein Tauchgang dauert in der Regel ein bis zwei Minuten, höchstens sieben Minuten. Danach muß der Otter zum Atmen an die Wasseroberfläche. Seine Schwimmhäute zwischen den Zehen verleihen dem Fischotter enormen Antrieb beim Schwimmen und Tauchen. Er erreicht Tauchgeschwindigkeiten von 7 km/h und mehr. Im Winter taucht der Fischotter lange Strecken unter dem Eis. Mit erstaunlicher Sicherheit findet er das Einschlupfloch wieder.
 

  Fischotter haben keine feste Paarungszeit, Jungtiere können demnach das ganze Jahr über zur Welt kommen.
Die meist ein bis vier Jungtiere werden nach einer Tragzeit von zwei Monaten in einem gut versteckten Bau geworfen. Wie alle Marder sind sie Nesthocker. Beim Säugen geben die Otterbabies in den ersten Lebenstagen ein lautes Gefiepe von sich, das den Laien eher an Vogelgezwitscher denken läßt. Der aufmerksame Tierparkbesucher kann so mit etwas Glück die Anwesenheit von Jungtieren erkennen, noch lange bevor sie den Bau verlassen. Im Alter von einem Monat öffnen sich die Augen, einen weiteren Monat später verlassen sie erstmals das Nest. Häufig sind junge Fischotter regelrecht wasserscheu. Deshalb kommt es vor, daß die Mutter sie am Nacken packen muß und mit ihnen unter Wasser taucht, um sie dort loszulassen. Unter Riesengeschrei lernen die jungen Fischotter so schwimmen und später auch tauchen. Etwa ein halbes Jahr werden sie von der Mutter gesäugt, obwohl sie schon nach etwa 6 Wochen erste feste Nahrung zu sich nehmen.

Text und Bild Wolfgang Löhlein